GRIECHEN BEWERBEN SICH UM EINEN JOB

Für die, die es noch nicht wissen, ich bin zwar gelernte Volljuristin, jedoch seit 2012 in der HR tätig. Meine Tätigkeit im Bereich Recruitment begann in Deutschland, als wir gerade mit meinem Mann aus Thessaloniki zurück nach Düsseldorf ausgewandert sind.

Fragt mich jetzt nicht, wie genau ich im Recruitment gelandet bin, war wohl ein glückliches Missverständnis. Ich fand Arbeitsrecht immer sehr cool, also dachte ich mir „komm, bewirb dich mal in diversen Personalabteilungen.“  Schön eine Million Anschreiben auf jede in Frage kommende Stelle zugeschnitten, wie es sich ja gehört.

An der Stelle ein Insider-Feedback von mir. Die Anschreiben liest kein Schwein, man will euch nur gehörig auf den Senkel gehen.

Somit haute ich hier und da tonnenweise Bewerbungen an verschiedene Personalabteilungen raus.

Vielmehr aus Versehen schickte ich meinen CV auch an eine Recruitment-Agentur. Tja, und zack, knapp 12 Jahre später schimpfe ich mich nunmehr „Senior Recruiter“. That’s it!

Als wir im Jahre 2019 nach Thessaloniki zurückkamen, begann ich in einer Recruitment-Agentur zu arbeiten, in der ich den Bereich Healthcare D-A-CH übernahm. Ich hatte sowohl mit Ärzten als auch mit Pflegekräften zu tun. Mein Team und ich führten Interviews und überprüften u.a. das Sprachniveau der in Betracht kommenden Bewerber. Außerdem berieten wir diese dahingehend, was sie für eine Berufsausübung außerhalb Griechenlands benötigten.

Eines Tages klingelte das Telefon und eine meiner Kolleginnen hatte einen älteren Herren in der Leitung, der sich unheimlich aufspielte und mit jemandem sprechen wollte, der INSBESONDERE für seinen Sohn zuständig sei. Ich verstand erstmal gar nicht, was der gute Herr wollte. Anyway…

GRIECHISCHES KIND BEWIRBT SICH UM EINEN JOB UND PAPA ARZT RUFT IN DER RECRUITMENT AGENTUR AN UND HAT MICH AM TELEFON.

Lange Rede kurzer Sinn, ich will gar nicht lange drum herumreden. Der gute Herr, Augenarzt von Beruf, rief an, um den aktuellen Bewerbungs-Status seines Sohnes abzufragen. Hä? Wieso bitteschön er?

Ach, auch so’n Griechen-Tick by the way, Hochschulabsolventen stellen sich grundsätzlich mit Vor-und Zunamen sowie ihrer Berufsbezeichnung am Telefon vor. Hat so’n bisschen was von Schw***längenmessung, ne?!?

Nun aber to the point: wie immer wollen wir hier nichts verallgemeinern, aber Griechen haben das Thema „Wie bewerbe ich mich am besten?“ bzw. „Welche Vorgaben sollte man beim Bewerbungsprozess unbedingt beachten?“ Stand heute –Januar 2022- immer noch nicht so recht verinnerlicht. Leider 🙁

Zum vorherigen Herren: wie kann man nur auf die Idee kommen, dass eine seriöse Personalvermittlungs-Agentur dem Vater eines Bewerbers Auskunft über den aktuellen Bewerbungsstatus seines Sprösslings gibt? Im Ernst jetzt, I don’t get it! Auf so etwas musst du erstmal kommen, oder? Dreist.

Selbstverständlich war ich so nett und zuvorkommend am Telefon und bat ihn, mir doch mal zu sagen, was ihn dazu „geritten“ habe, uns anzurufen. Der gute Mann wollte selbstverständlich, wie es sich für einen Griechischen Papi gehört, dass sein Spross – der im Übrigen natürlich Ophthalmologie aka Augenmedizin studiert hatte – in Zukunft seine Augenarztpraxis übernimmt. Und Papa hatte natürlich entschieden, dass der Junior erstmal die hierzu nötigen Erfahrungen in der Schweiz sammelt.

Exkurs: in Griechenland ist es üblich – damit man rechts und links viele „aaaahhhhs!“ und „ooooohhhs!“ einheimst – dass die Wände der Arztpraxen von zig Urkunden geschmückt sind, auf denen alles, nur kein Griechisch drauf steht, um ja sagen zu können „ich bin ein Arzt mit Auslandserfahrung!“

Nun denn, soviel zum Herrn Dr. Augenschmaus. By the way, der junge Spross hat es, soweit ich weiß, nicht in die Schweiz geschafft.

Ich habe mich schon mit sehr, sehr vielen jungen, griechischen Studenten bzw. Hochschulabsolventen über diese Thematik – Bewerbungsprozess – unterhalten. Der Tenor: das Problem fängt in der Regel schon an der Uni an. Man wird kaum bis gar nicht dahingehend beraten, wie es danach weitergehen soll. Man weiß einfach nicht, wie das alles funktioniert. Wenn man kein Social-Media-Fuchs ist bzw. nicht weiß, wie und wo man im Internet richtig recherchieren soll, ist man so gut wie aufgeschmissen. Ich will hier nicht behaupten, dass Griechen sich damit nicht auskennen. No way, das tun sie. Aber es wird -sagen wir mal so – vorzugsweise mehr Zeit in Dating-Plattformen verbracht als in berufsrelevanten Sites 😉 .

Deshalb nehmen griechische Hochschulabsolventen auch erstmal „den einfachen Weg“: machen erstmal 2-3 Bachelors bzw. MBA oder wie dieses neumodische Zeug heißt. Damit hat sich das Thema „Bewerbungsprozess“ erstmal erledigt. «Έχει ο Θεός» sagen die Griechen dazu. Für mich persönlich sind diese Zusatz-Wischs ja Fluch und Segen zugleich. Und außerdem ist „aufgeschoben“ ja nicht zugleich „aufgehoben“, richtig? Meines Erachtens stellt man sich der Problematik dadurch nicht, man geht ihr ganz bewusst nur länger aus dem Weg.

Was aber noch viel schlimmer ist, es hapert bereits an den Basics. In den häufigsten Fällen haben die Bewerber nicht einmal ein anständiges Bewerbungsfoto. Ich sag nur eins, Stichwort Braut und Bouzoukia.

Der Klassiker unter griechischen Bewerbungsfotos: 1) Bewerbungsfoto als Braut (da fragst du dich wirklich, ob sie sich um eine seriöse Stelle oder um einen Platz in einer Trash-Reality-Serie bewirbt) und 2) Bouzoukia-Foto.

Für die, die es nicht wissen, Bouzoukia sind Live-Musik-Shows, d.h. man sieht jemanden dort in voller Night-Life-Montur mit lila-Disko-Lichtern in einem Meer aus Nelken sitzen. Ist so üblich bei uns in Griechenland. Ey, kein Kommentar.

Ich könnte hier an dieser Stelle allein schon aufgrund meines beruflichen Backgrounds ziemlich viel aus dem Nähkästchen plaudern, aber das würde den Rahmen sprengen 😉 .

Fazit: Griechenland muss unbedingt was dafür tun, dass Bewerber besser informiert bzw. vorbereitet werden im Hinblick auf den Bewerbungsprozess. Denn jetzt mal Spaß beiseite, es kann einfach nicht sein, dass man als Recruiter den Papa an der Strippe hat, der sich über mögliche Vakanzen für sein Kind informieren möchte. Und genauso wenig kann es sein, dass eine Dame recht in der Annahme sein kann, dass man sie ernst nimmt, wenn sie sich mit einem Brautfoto um eine Stelle bewirbt. Oder?

Relevante Posts

3 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.