Als ich das erste Mal ausgewandert bin, war es eine völlig andere Ausgangssituation als die Jetzige.
Ich war 27, unverheiratet, keine Kids am Start und das Einzige, was mich interessiert hat war, die Nacht zum Tag zu machen und die Shopping-Meile Thessalonikis zu erkunden. Also mal ganz „grob“ formuliert versteht sich.
Beim zweiten Mal, knapp 40, Muddi von zwei Kindern, sah der ganze Spaß natürlich anders aus. Vor allem der Blickwinkel ist ein völlig neuer. Mit Mitte Zwanzig schenkst du vielen Dingen natürlich viel weniger Beachtung als mit 40. Machen wir uns da mal nichts vor. Und es liegt nicht nur daran, dass man plötzlich älter, verheiratet und Mama ist.
Die Erfahrungen, die man in den letzten Jahren gesammelt hat, beeinflussen einen als Menschen ja auch immens. Auf mich persönlich wirkt sich dies auch extrem darauf aus, wie ich andere Leute und deren Verhaltensweisen (in erster Linie mir gegenüber) wahrnehme.
Du gibst dich ja als Mama (oftmals notgedrungen) mit anderen Mamas bzw. Eltern ab. Ob man‘s nun mag oder nicht. Es geht nunmal nicht mehr um „Mama herself“, die Kinder stehen an erster Stelle. Gar keine Diskussion.
Ich persönlich muss jedoch direkt zu Beginn dazu sagen, dass mich neumodische Eltern sowohl hier als auch in Deutschland oftmals verschrecken. Aber zu Letzteren an anderer Stelle mehr.
Fangen wir aber doch erstmal der Reihe nach an.
Wie ticken denn überhaupt neumodische Griechische Eltern in Griechenland heutzutage?
Eins vorweg: ich habe recht wenig mit Griechischen Eltern gemein und das ist oftmals ein „Problem“. Wieso? Weil du, falls du deine Ansichten öffentlich äußerst, in der Regel bemitleidend angeguckt wirst. Ohne Spaß, das ist mein völliger Ernst. Sehr selten regst du mit einer anderen Meinung andere Mitmenschen hier zum Nachdenken an. Die erstbeste Reaktion mir gegenüber ist stets Folgende: „Ach ja, du bist halt draußen (außerhalb Griechenlands) geboren, schon klar, dass du anders tickst.“ Müdes Lächeln von der anderen Seite. Dezentes Augenrollen noch dazu.
Zack, das war’s. Es wird sehr selten hinterfragt, ob das, was der Andere sagt, eventuell Hand und Fuß hat. Verhaltensweisen, die an die 80er erinnern und schon bei einfachstem Nachdenken völlig veraltet erscheinen, werden kaum hinterfragt. Traurig.
Man darf natürlich eins nicht vergessen: es liegt im Naturell der Griechen, alles besser zu wissen als alle anderen. Ihr glaubt nicht, wie schnell ein wörtlicher „Fight“ entstehen kann, weil der andere behauptet, es besser zu wissen als man selbst. Wir stammen schließlich von den Philosophen ab, war damals auch nicht viel anders. Ist vermutlich auch das Einzige, was an alte Zeiten erinnert. Es wird wohl keiner wagen, Neu-Griechen mit Alt-Griechen zu vergleichen. Schön wär’s…
Ich persönlich finde, dass man ja stets von anderen Menschen dazulernen kann. Ich glaube, dass man wirklich bis ans Ende seines Lebens dazulernt und man nie ausgelernt hat. Aber nun gut.
Nicht so der Grieche. Der weiß wie gesagt alles besser.
Eigentlich fängt das Ganze ja schon beim Thema Schwangerschaft an, aber das ist wirklich einen gesonderten Blogeintrag wert, versprochen. Mein Hirn platzt vor lustigen Erinnerungen an diese Zeit, wo ich parallel mit anderen Mädels hier in Griechenland schwanger war. Hach Leute, witziges Thema. Das Thema kommt auch, ich verspreche es euch. Oder wollt ihr nicht wissen, warum die Griechin ab Tag eins der Befruchtung auf Anweisung ihres (ach so heiligen) Gynäkologen auf Diät ist?😜 Merkt euch eins, der Gynäkologe und insbesondere der Kinderarzt gleicht in Griechenland einem Gott 😉 .
Aber zurück zu unserem Thema. Was ich einfach bis heute nicht verstehen kann, wieso Griechen die Wohnung zur Sauna erklären, weil plötzlich ein Baby da ist. Geht mal im Winter in eine Griechische Wohnung, wenn die Alte grad geworfen hat. Ja Prost Mahlzeit. Kennste «Θα βγάλω την μπέμπελη»;
So, und dann auch noch am besten, wenn die Wohnung mit „Petrelaio“ (Heizöl) geheizt wird. Leute, das ist eine ganz andere Wärme als mit Erdgas. Ihr könnt nur ersticken, ohne Sch**ß. Mein Schwiegerdaddy würde jetzt an der Stelle sagen:
«Σαν το πετρέλαιο δεν έχει!»
Koulitsa’s Schwiegerdaddy
Weil, das Kind könnte ja erfrieren. Meine Lieblingsstory: Kind kommt Ende September hier in Thessaloniki zur Welt. Draußen ist es tagsüber –wie so häufig um die Jahreszeit- 30 Grad. Die Heizungen sind noch gar nicht angesprungen. By the way in Deutschland üblicherweise auch noch nicht, oder? Aber die klassische Inverter A/C arbeitet natürlich auf Hochtouren, schön auf 30 Grad abends. «Αχ το παιδί, το παιδί θα κρυώσει. Όχι αστεία. Μπουμπούνισε το.» Ey, und schön immer in Ömmekes Polyester-Deckchen eingemümmelt. Schön babyblau fürs Männlein und schön schweinchenrosa fürs Weiblein. Klischee deluxe sach‘ ich euch.
Als mein Kleiner auf die Welt kam (Anfang November), waren wir an Weihnachten als Touris hier bei meinen Schwiegereltern in Thessaloniki zu Besuch und ich habe ihn abends zum Einschlafen schön dick eingepackt und auf den Balkon gestellt. Fand er immer super. Die erste Reaktion meiner SchwieMu: absolute Hyperventilation und kurz davor, die weißen Männchen anzurufen, um die irre Schwiegertochter in Stavroupoli einweisen zu lassen. Die Insider an der Stelle wissen Bescheid.
Nach gefühlten 5 Sekunden: Baby schlummert vor sich hin. SchwieMu guckt mich jetzt noch -5 Jahre später- mit großen Augen vergleichbar mit den Löchern eines bekannten Schweizer Käse an.
Also, ist jetzt kein Hexenwerk, ne? Kaum bist du mit einem Kind aus der Tür, pennt es schließlich auch im Kinderwagen ein, oder nicht?!?
Noch so eine bekloppte Sache: Frauen, die in Griechenland gerade ein Kind bekommen haben, sollen –ähnlich dem Wochenbett – 40 Tage lang mit dem Kind nicht vor die Tür. Ey hierzu könnte ich glatt zig Seiten schreiben. Aber das ist wirklich total veraltet. Nur soviel. Theoretisch soll man 40 Tage zuhause bleiben.
Ich hab das natürlich nicht eingehalten, geht’s noch. Insbesondere beim zweiten Kind unvorstellbar, das erste Kind muss doch vor die Tür. Stichworte Papa Arbeit bzw. das erste Kind muss in die KiTa. Hellllooooo, der Alltag geht weiter. Haben nicht alle Hampelmann-Opa-und-Oma, die einen wie ein rohes Ei behandeln…boa Leute, wie sehr freue ich mich schon auf den Artikel „Schwangere Griechinnen“. Mir kribbelt’s schon in den Fingern 😉 .
Und nach den 40 Tagen bzw. meist auch schon den Sonntag vor Vollendung der 40 Tage ab Geburt, geht’s in die Kirche, du holst dir den Segen vom Pfarrer, «σαραντίζεις» und dann ist jut. Άντε γειά!
Neueste Mode in Griechenland: «μισός σαραντισμός». Bereits nach 20 Tagen holst du dir den Segen ab und „darfst“ offiziell raus. Man wirft dies in die Kategorie Religion, also kann ich an der Stelle schlecht was sagen. Jeder, wie er meint. Nur eins: 9,9 von 10 Frauen machen das, weil Mama oder Schwiegermama ihr mit diesem leidigen Thema in den Ohren liegt, mal wieder unter dem Deckmantel „Was werden die Leute nur wieder von uns denken, wenn du als „Wöchnerin“ vor die Tür gehst?“ Boa Leute, wie nervig ist das bitte!!! ΠΑΤΗΣΤΕ ΕΠΙΤΕΛΟΥΣ ΠΟΔΙ ΡΕ ΠΑΙΔΙΑ!!!! WACHT ENDLICH AUF MAN!!!
An der Stelle: wenn du gläubig bist, dann ziehe ich vor dir den Hut. Wirklich! Ich selbst bin ein sehr gläubiger Mensch. Aber so eine Schose nur abzuziehen, damit ich keine ΓΚΡΙΝΙΑ habe, nein, das akzeptiere ich nicht. SCHLUSS AUS DIE MAUS!!!
Ihr seht, mit dem persönlichen Wohlbefinden der Mutter, wie in Deutschland in den letzten Jahren (für mich persönlich auch völlig übertrieben, aber ja, es kommt auf die jeweilige Einzelsituation an, gar keine Frage), hat das alles recht wenig zu tun. Deshalb unterstütze ich das persönlich gar nicht, soll doch bitte jede Frau für sich selbst entscheiden, oder?
Also, kurze Info mal am Rande: viele aus meinem persönlichen Umfeld hier (aber auch generell viele Griechinnen in Deutschland) halten sich strikt daran, ob nun 20 oder 40 Tage lang.
Das andere, was ich absolut nicht nachvollziehen kann:
Wir schreiben das Jahr 2022, richtig? Aufklärung jeglicher Art bezieht man aus allerlei Ressourcen, ne?
I mean, meine 80-jährige Tante aus‘m Dorf hat Social Media Leute, also erzählt mir jetzt nix.
Ich denke, es gibt kaum Menschen in der westlichen Zivilisation, die behaupten würden, dass Rauchen nicht schadet, oder?
Nun ja, vielleicht gibt’s da die ein oder anderen «ΞΕΧΑΣΜΕΝΟΙ» in Griechenland, was glaubt ihr?
Griechen haben seit jeher folgenden Tick: sie frieren. Ja, ihr lest richtig. Sie frieren. Und ich meine damit nicht nur die Menschen in eisigen Gebieten hier in Griechenland. Nein, Griechen frieren einfach überall.
Griechen sind generell aus Zucker, ob jung oder alt.
Schwierig zu vereinbaren, wenn man Raucher ist, es kalt ist und sich in einer Wohnung aufhält, stimmt’s?
Meine persönliche Statistik besagt, dass es in Griechenland immer noch viele Menschen gibt, die in Wohnungen rauchen. Selten gehen sie auf den Balkon. Ist ja auch völlig ok, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Beim Thema Rauchen und Kinder finde ich es jedoch nicht mehr ok. Viele Griechische Eltern in Griechenland rauchen in ihren Wohnungen in Anwesenheit ihrer Kinder.
Und wisst ihr wo? In der Regel unter der Dunstabzugshaube. Jep, ihr lest richtig. Wenn du zu Besuch bist bei Griechischen Eltern und geraucht wird, setzt man sich fürs Rauchen sehr oft an die Dunstabzugshaube. Und wenn die Wohnung/das Haus einen Kamin hat, dann brennt dieser unentwegt im Winter, weil man sich dann zum Rauchen an den Kamin setzt. Weil der Kamin raucht ja eh. Auf 10-20 Kippen mehr kommt’s dann ja auch nicht mehr drauf an, ne?
Absolut logisch den Rauch eines Kamins mit Zigaretten-Rauch zu vergleichen, oder? Jep, Griechische Logik. Ich bin vor Kurzem aufgestanden und gegangen, weil in der Wohnung geraucht wurde, obwohl unsere Kids zwischen uns hin und her gehampelt sind. Natürlich ganz smooth und geschmeidig, ich muss mich mittlerweile weder mit jemandem fetzen noch ihm meine Ansicht aufbrummen. Die Zeiten sind vorbei. Sie checken’s eh nicht. Ich verschwende schon lange keine Energie mehr für sowas. Punkt. Basta. Ist mir zu dumm. Kennste Bernd das Brot?
Vor vielen Jahren ist mein Mann tatsächlich aufgestanden, weil er nach zwei Stunden Kopfschmerzen von der Stärke des Dunstabzugs bekommen hat und zu dem Kindsvater meinte:
„Alter, mir tut die Birne von diesem Geräusch weh und ich höre dich auch nicht, wenn du redest. Lass uns doch mal auf den Balkon gehen.“ Der Typ hat ihn fassungslos angeguckt und ist natürlich nicht rausgegangen. Ist ja schließlich seine Wohnung. Da kommt der Südländer in ihm raus, hört hört.
Dieser Kindsvater und seine Angetraute hatten by the way schon mal eine Dunstabzugshaube kaputt gemacht. Ich will denen ja nichts unterstellen, aber vielleicht lag‘s daran, dass diese permanent an war? Keine Ahnung, ist so eine Vermutung. Ach, und übrigens, das Kind besagter Personen hat auch Asthma und deren Wohnung hat eine riesige Terrasse. Nur so eine Rand-Info zum Thema Rauchen in der Wohnung. Sagen wir mal so, wir treffen uns mittlerweile äußerst selten mit diesen Herrschaften zuhause.
Das war bisher aber nur ein Bruchteil lustiger (vermutlich aber auch schockierender) Stories über Griechische Eltern in Griechenland. Ich sag nur eins: Freut euch jetzt schon auf den zweiten Teil.
2 Kommentare
Ich kann nicht mehr…der absolute Hammer und das Beste daran? Es stimmt 100%
Ich habe zur Geburt eine wunderschöne schwitzige Polyesterdecke bekommen. In Rosa/Pink. Und ich wurde mehr als ungläubig angeschaut…weil ich Ende November nach einer Woche mit dem Baby bei 0 Grad spazieren war. Danke für den Artikel.
Liebe Jennifer! Vielen lieben Dank für deinen Kommentar, du glaubst gar nicht wieviele mir das mit dem Polyester-Deckchen geschrieben haben. Unfassbar…hahaha…sehr gerne by the way. Viel Spaß beim Lesen auch künftiger Artikel. Lieben Gruß!